Freitag, 6. April 2007

Fundamentalismus und Aufklärung

Das wäre das Ende der Religion
VON THOMAS KRAMAR UND JÜRGEN LANGENBACH (Die Presse, Austria) 12.07.2005
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Streitfall Evolution. Biologen, Theologen und Physiker reagieren auf Kardinal Schönborns Aussagen
Es ist ungeheuerlich, dass sich die Kirche offiziell gegen die Aufklärung stellt, den Biologen sagen will, wie Evolution funktioniert. Die Biologen sind schließlich die Profis auf diesem Gebiet! Ich kann das nur durch kirchliches Machtstreben erklären. Es wird immer klarer: Der Kampf der Kulturen geht nicht zwischen Islam und Christentum, sondern zwischen Fundamentalismus und Aufklärung."

So reagiert Biologe Kurt Kotrschal (Konrad-Lorenz-Forschungsstelle Grünau) auf Äußerungen des Wiener Erzbischofs Christoph Kardinal Schönborn in der "New York Times". Dort hatte Schönborn "Neo-Darwinisten" scharf kritisiert, die mit Charles Darwin die Entstehung des Lebens und der Arten durch die Evolution erklären: durch zufällige Mutationen, die dann von der Umwelt auf ihre Nützlichkeit geprüft werden ("Selektion"). Schönborn hingegen sieht hinter der Vielfalt des Lebens einen "Plan", ein "Design". Wer diese Meinung nicht teile, betreibe "Ideologie, nicht Wissenschaft".

"Dass der ,Neo-Darwinismus' nicht wahr und eine Ideologie sei, ist eine Kompetenzüberschreitung des Kardinals", hält Evolutionsbiologe Ulrich Kutschera dagegen (Universität Kassel), der 2004 das Buch "Streitpunkt Evolution" veröffentlicht hat: "Das Argument für ,Design in der Natur' ist ein reines Glaubensbekenntnis. Mit naturwissenschaftlichen Methoden lassen sich übernatürliche Wesenheiten nicht erforschen: Das heißt, ,Schöpfungsforschung' im eigentlichen Sinne gibt es nicht."

Ein Design vermag auch der protestantische Theologe Ulrich Körtner in der Natur nicht zu erkennen, aber er gibt Schönborn "in einem Punkt Recht": Evolutionstheorie und Schöpfungslehre sind so leicht nicht auf einen Nenner zu bringen. Aber Schönborn ziehe daraus "die falschen Schlüsse: ,Schöpfung' und ,Evolution' verweisen auf unterschiedliche Sprachspiele, die auch theologisch sorgfältig zu unterscheiden sind." Schönborn wolle sie integrieren, aber "die konträren Sichtweisen lassen sich nicht durch einen übergeordneten Standpunkt aufheben. Das ist gerade der Witz im interdisziplinären Gespräch zwischen Theologen und Naturwissenschaften."

"Schöpfung" bedeute Aufbau und Ordnung, in der "Evolution" gebe es aber auch viel Zerstörung: "Dass es in der Natur kein Design zu beobachten gibt, gehört gerade zu den produktiven Herausforderungen des Glaubens, weil sie ihn vor oberflächlichen Antworten auf die Sinnfrage bewahrt."

Hat sich die katholische Kirche nicht schon mit der Biologie versöhnt? Johannes Paul II., so stellt Kutschera klar, habe sie wohl "als wissenschaftlich gesicherte Theorie anerkannt", aber "eine von Gott gelenkte, theistische Evolution" gemeint. Kutschera: "Würde die katholische Kirche ihre theistische Basis verlassen, so müsste sie ihre Glaubensgrundsätze aufgeben."

Das sieht Anton Zeilinger, Wiener Quantenphysiker mit großem Interesse an Theologie, anders: "Es ist ein Riesenfehler, wenn Religionen Gott dort einsetzen, wenn wir etwas nicht verstehen, zur Erklärung von Lücken im Wissen. Früher gab es einen Blitzgott und einen Donnergott und weiß der Teufel was noch alles, weil man diese Phänomene nicht verstanden hat. Dieses Rückzugsgefecht kann die Kirche nur verlieren. Wenn sie behauptet, irgendetwas in der Biologie sei nicht durch Evolution erklärbar, werden die Biologen ein Vergnügen daran finden, das zu widerlegen." Unverständlich sei, "wenn Theologen meinen, es sei ein Gebot der Vernunft, einen Gott anzunehmen, um das wunderbare Funktionieren der Welt zu erklären. Das wäre das Ende der Religion, die Reduktion auf Beweisbarkeit. Da wäre Glauben nur mehr Opportunismus."

"Ausschließlich eine Frage des Glaubens ist die Frage, ob die Gesetze der Evolution, der Biochemie, auch der Chemie ein Zufall sind oder von einem Gott kommen", meint Zeilinger: "Man kann durchaus der Meinung sein, dass es einen Gott gegeben hat, der die Welt so geschaffen hat, so dass sie Leben und Evolution ermöglicht. Immerhin Albert Einstein war der Meinung, dass es zwar keinen Gott gibt, der unmittelbar in unser tägliches Leben eingreift, aber dass die Naturgesetze nicht durch Zufall aus nichts entstanden sein können."

Zufall spiele freilich eine wesentliche Rolle in der Welt. "Ich behaupte ja gern, dass es Quanten-Prozesse gibt, die so zufällig sind, dass auch der liebe Gott nicht weiß, wie es ausgeht. Andererseits: Woher nehme ich das Recht zu sagen, dass es grundsätzlich keinen Gott geben kann, der da eingreift?"

Zeilinger plädiert auch für Offenheit gegenüber dem Standardmodell der Naturwissenschaften: Anfangsbedingungen prägen die kausale Entwicklung in der Zeit. "Man kann ja zumindest fragen: Ist das Umgekehrte möglich? Kann es sein, dass ein Ziel die Entwicklung bestimmt? Wolfgang Pauli immerhin hielt das für möglich."

Genau diese finale Variante lehnt Franz Wuketits, Evolutionstheoretiker, pointiert ab: "Was ich zur Theorie des intelligenten Designs sage? Design schon, aber ohne Intelligenz, ohne Absicht und ohne Ziel."

In diesem Sinn reagiert auch Erwin Lengauer von der Wiener Forschungsstelle für Ethik und Wissenschaft. "Man muss Schönborn dankbar sein: Er macht kennbar, welche Implikationen das Menschenbild der Evolutionstheorie hat. Es gibt keine letztbegründeten objektiven Werte mehr."

Den Artikel von Schönborn in der "New York Times" lesen Sie vollständig hier: Schönborn Text im Original

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